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Wenn Dein Laden übernommen wird...

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@eisenbart
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Liebe Hivianer,

es sind diese unpersönlichen Geschichten, die der eine oder andere aus dem Wirtschaftsteil seiner präferierten Zeitung seit Jahren entnehmen kann. Firmen werden von Großinvestoren, meist ausländischen, aufgekauft, saniert, ausgeschlachtet, wieder flott gemacht und später wieder verkauft. Dabei werden die gekauften Firmen mit Schulden beladen um den Kaufpreis zumindest in Teilen wieder sofort zurück zu erhalten.

In so einer Firma arbeite ich nun seit Wochen auch. Wegen sensibler Daten, kann ich nur berichten, was ohnehin öffentlich gemacht wurde.

Also meine neuen Chefs kommen aus Frankreich und haben nach offiziellen Berichten 50 Millionen € eingesammelt, um in Deutschland auf Einkaufstour zu gehen. Mit einem Teil dieser Summe wurde nun mein Arbeitgeber erworben.

Mein alter Chef (der er immer noch ist), hatte ursprünglich gar nicht vor zu verkaufen und war lediglich auf der Suche nach einem finanzkräftigen Partner um Risiken gemeinsam zu schultern und wahrscheinlich auch um seinen Ruhestand schon einmal langsam vorzubereiten. Aber im Verlauf der Gespräche, die ein großes in Frankfurt anssäsiges Netzwerk-Unternehmen einfädelete, fanden die Investoren im Due Diligence-Verfahren so viel Gefallen, dass sie ihn zur Seite nahmen und ihn darum baten, die ganze Firma, mit allen Rechten und Pflichten und Tochterfirmen erwerben zu dürfen. Sie würden auch gut bezahlen.

Die Summe, die letztlich geboten wurde, war dann auch so immens, dass er nicht ablehnen konnte. Verständlich.

Da die französischen Investoren eine börsennotierte Firma führen (an der Börse momentan mit 100 Mio. € bewertet), mussten sie selbstverständlich nach Vertragsunterzeichung sofort eine Pressemitteilung bekanntgeben. Wir Angestellten erfuhren ca. 4 Wochen später vom Verkauf.

Nun, nach so einem Verkauf, gehen Angestellten naturgemäß immer Gedanken die die Zukunft betreffen durch den Kopf. Wird sich am Betriebsklima was ändern?, Werde ich meinen Job behalten können?, Wenn ja, zu welchen Konditionen? etc.

Mein Chef konnte alle beruhigen. Es wird sich nichts ändern. Er bleibt noch für ein paar Jahre (die Franzosen haben ihm gleich einen neuen mehrjährigen Arbeitsvertrag angeboten).

Aber mir war klar, dass neue Leute auch neue Ideen mitbringen. Also irgendetwas wird sich ändern, ändern müssen. Ich habe die Beruhigungspille zwar wohlwollend zur Kenntnis genommen, war aber dennoch gespannt, wie sich das Arbeiten verändern wird, denn wenn du nicht mehr Chef in deiner von dir gegründeten Bude bist, dann kannst du eben auch nicht mehr über alles selbst verfügen. Du bist jetzt ein Angestellter!

Schon auf dem erster Treffen mit den neuen Eigentümern, kündigte sich die erste Veränderung an. es wird eine ungeheure Bürokratisierung in Gang gesetzt. Das ist wohl auch dem Umstand geschuldet, dass die neuen Eigentümer börsennotiert sind. Die Börse und auch gesetzliche Regulierungen verlangen eine gewisse Art und Weise der Berichterstattung.
Dazu gehört z.B. die Erstellung eines zweiten Jahresabschlusses im laufenden Jahr. Was vorher nicht nötig war. Das verursacht naürlich erhebliche Mehrkosten. Auch die Prfüungskosten werden zulegen, da bei börsennotierten Unternehmen immer von Wirtschaftsprüfern testierte Abschlüsse eingereicht werden müssen.

Alle zugehörigen Einheiten müssen immer weiter nach oben melden, bis daraus eine Börsennachricht gemacht werden kann bzw. überhaupt eine Nachricht wird, die man Wirtschaftsjournalisten in einem Calling offerieren kann.

Da ich nun hier Finanzverantwortlicher bin, trifft mich die neue Arbeitsweise mit voller Wucht. Für mein Alltagsgeschäft (Verantwortung und Überwachung der Finanzen) bleibt weniger Zeit, meine Kollegen müssen immer mehr übernehmen, so dass ich Zeit habe, den neuen Eigentümern das Zahlenwerk der letzten drei Jahre zu erklären und darauf aufbauend neue Planszenarios zu erstellen. Und das für alle Tochterfirmen! Da wir konzernartig aufgestellt sind, ist das eine Menge Arbeit und kostet viele Stunden, die im Jahresabschlussgeschäft eher unpassend sind. Aber lieber zu viel Arbeit als zu wenig, ist da meine Devise!

Der Wille, alle deutschen Kollegen da zu belassen wo sie gerade arbeiten, ist auf jeden Fall authentisch. In der Zentrale in Paris ist man froh über den Fuß, den man sich gerade im deutschen Markt erkauft hat.

Unter diesem Dach ist man in Paris sogar gewillt, alle deutschen Neuerwerbungen zusammenzufassen. D.h. im Umkehrschluss noch mehr Arbeit für alle meine Kollegen und auch für mich. Das wird wohl bedeuten müssen, mehr Leute einzustellen.

Mein Job dürfte daher sicher sein. Dennoch erschüttert mich die Ahnung, dass mein Noch-Chef in wenigen Jahren das Schiff in den wohlverdienten Ruhestand verlassen wird. Was dann passiert, ist offen. Ich werde daher einen neues Standbein vorbereiten, um mich in Zukunft vielleicht wieder auf die Selbständigkeit einzulassen.

Die Kommunikation mit den neuen Eigentümern läuft hauptsächlich in Englisch ab. Aber auch in Deutsch und Französisch. Es ist ein bunter Mix. Der französische Akzent ist aber nicht immer leicht zu verstehen, sodass sich in Meetings dreisprachig verständigt wird.

Es bleibt spannend.

Bis dahin.