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Skeuomorphismus und DeFi

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@stayoutoftherz
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Liebe Leute, Skeuomorphismus ist ein Designprinzip, bei der Objekte in ihrer Gestaltung einen älteren, vertrauten Gegenstand nachahmen, ohne dass dies funktionell nötig wäre. Ursprünglich ein Begriff aus dem Kunstgewerbe, wird er heute meist in der Softwareentwicklung benutzt. Aber was hat das mit Finanz zu tun? Geduld!

Wenn eine neue Technologie angewendet wird, ist es naheliegend, Bekanntes zu imitieren. Zum Beispiel waren beim Übergang von analog zu digital bildhafte Vergleiche zu realen Schreibtischen üblich, um die Leute an die Computer-desktops zu gewöhnen und die digitalen Papierkörbe und "Ordner" (folder) haben sich bis heute gehalten.

In vielen Musik- und Synthesizer-Apps ist es üblich, analoge Drehknöpfe nachzuahmen, obwohl Drehknöpfe mit der Maus nicht so einfach zu bedienen sind wie Schieberegler, aber es sieht einfach edler aus - ein klassischer Skeuomorphismus.

Wenn sich die Technologie dann erst einmal durchgesetzt hat, kommen auch andere, zusätzliche Funktionalitäten hinzu. Die ersten Online-Ausgaben von Zeitungen waren nicht viel mehr als das, erst später kamen z.B. interaktive Elemente dazu. Die ersten Handys waren nur zum Telefonieren zu gebrauchen, etc.

Das gleiche kann man bei digitalen Finanzprodukten und im DeFi (decentralized finance)-Bereich beobachten. Die meisten DeFi-Projekte bilden derzeit existierende Bankprodukte ab, nur schneller und ohne dass eine Bank nötig wäre. Die meisten basieren aber letztlich auf Geldverleih (auch wenn es sich viel komplizierter anhört (yield farming, compounding, etc.). Je länger man sein Geld / seine Tokens jemandem leiht und je höher die Summe, desto höher der Ertrag (wenn alles klappt und kein Betrug vorliegt und der Dienstleister nicht in Konkurs geht).

Wäre es nicht an der Zeit, dass weniger skeuomorphe Produkte eingeführt werden? Gerade die Blockchain-Technologie sollte so etwas doch ermöglichen!

Erste Ansätze sind schon vorhanden:

Alchemix

Damit es es z.B. möglich, mit eingelegten ALCX oder Stablecoins wie DAI einen Coin namens alUSD (ein ERC20 Token) zu minen, mit dem man einen Kredit zurückzahlen kann, allerdings früher als vergleichbare Kredite, da die Rückzahlung die zukünftigen Mining-Erträge schon berücksichtigt. Bei einer Bank musst Du dagegen die Kreditzinsen des Marktes bedienen, auch wenn Du bei der gleichen Bank ein Guthaben hast. Ich weiß, der Vergleich hinkt, da Banken und Guthaben, das war früher mal. Ich behaupte auch nicht, dass ich alles komplett verstanden hätte. Mehr dazu hier.

Ampleforth

Bei Ampleforth wird Preisstabilität völlig neu definiert. Ampleforth ist ein Stable Coin, dessen Wert nicht gedeckt ist durch z.B. Dollar-Einlagen wie bei Tether (USDT), sondern durch flexibles Hinauf- und Hinunterfahren des Supplys des AMPL Tokens alle 24h, rebasing genannt. Das heisst, nicht nur Deine AMPL-Token können sich im Kurs ändern, sondern auch die Anzahl Deiner Tokens in der Wallet ändert sich jeden Tag - ein sehr ungewohntes Konzept.

Der Supply ist also elastisch, aber nicht-dilutiv (der Wert sollte sich insgesamt nicht ändern = keine Verwässerung). Bitcoin ist dagegen unelastisch und nicht-dilutiv. Und Fiatwährungen sind natürlich elastisch und dilutiv (die Menge weitet sich mit der Zeit aus, was den Wert verwässert). Mehr dazu hier. AMPL ist daher ein Experiment, um eine Alternative zu Fiat-Geld zu sein ohne dessen Nachteile.

Vermutlich kennt Ihr noch andere Beispiele von nicht skeuomorphen Finanz-Projekten. Echte Innovation wird sich jedenfalls nur einstellen, wenn nicht mehr die immergleichen Bankster-Produkte kopiert werden.

Was sind für Euch zukunftsträchtige Finanzprodukte? Eventuell schlummern da noch ganze Einhörner irgendwo!