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Linksverseuchte Öko-Trulla demonstriert gegen Rechts

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@chriddi
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Wir sind mehr - Segeberg bleibt bunt!

Am 9. November 2019 folgten Hunderte einem Aufruf der Intitiative "Segeberg bleibt bunt" zur Demonstration für Demokratie, Toleranz und Menschenrechte, gegen Hass, Hetze und Fremdenfeindlichkeit in Bad Segeberg. Neben dem allgemein beobachtbaren Rechtsruck in Deutschland und Europa galt eine besorgniserregende Entwicklung in der kleinen Winnetou-Stadt am Kalkberg als ausschlaggebend für eine der größten Friedensdemonstrationen, die es je in Segeberg gegeben hat: Ein bundesweit bekannter, wegen mehrerer Gewalttaten verurteilter Neonazi, dessen Name auch im Zusammenhang mit den NSU-Morden genannt wird, kehrte nach Entlassung aus seiner Haft, die er wegen Totschlags eines obdachlosen Menschen verbüßte, Anfang des Jahres in seine Heimatstadt zurück, die er als Jugendlicher auf den Spuren rechtsextremer Organisationen verließ. In Bad Segeberg versucht er nun das rechtsextreme Netzwerk „Aryan Circle Nord“ aufzubauen. Hierfür werden gezielt Jugendliche auf öffentlichen Plätzen, ihrem Schulweg, sogar direkt auf dem Schulhof angesprochen und für das Netzwerk rekrutiert. Rechte Gruppierungen erstarken und verbreiten Angst durch Gewalt oder der Androhung dieser.

Der offizielle Polizeibericht geht von 1500 Menschen aus, die Initiatoren dagegen sprechen von etwa 3000 Demonstrationsteilnehmern. Wie immer bei solchen Zahlen, sollte man ein gesundes Mittelmaß annehmen, es setzten sich sicher mehr als 2000 Personen für ein friedvolles, gewaltfreies Miteinander aller Menschen in Bewegung. Die Anzahl der Anwesenden ist letztlich egal: Es waren viele. Wir waren mehr!

Friedens- und Klima-Aktivisten, Migranten, Politiker, Moslems, Christen, Juden - eben deutsche Mitbürger, bevölkerten nahezu die gesamte Innenstadt und zogen nach einigen Kundgebungen überaus friedlich und bunt über mehrere Kilometer durch die Straßen Segebergs. Es war ein wunderbares Gefühl, mitten in einer Menschenmasse zu spüren, wie viel Solidarität so viele Deutsche in sich tragen und bereit sind, in der Gemeinschaft gegen rechtes Gedankengut Widerstand zu leisten, abseits von ihren passiven Informationskanälen Angst gegen Mut und Zivilcourage zu tauschen. So viele Deutsche, die aus der Vergangenheit gelernt haben. So viele Deutsche, die geschlossen jubelten, als ein Sprecher der Partei "Die Partei" proklamierte, er wünsche sich ein Deutschland in einer EU, die dafür sorgt, dass keine Menschen elendig im Mittelmeer verrecken, und wenn das nicht gelingt, möchte er zumindest in einem Deutschland leben, in dem wenigstens die, die nicht ersoffen sind, mit offenen Armen herzlich Willkommen geheißen werden.

Alte wie junge Leute zeigten, dass sie sich nicht einschüchtern lassen werden, sich für eine tolerante Zukunft einsetzen. Ich möchte hier betonen, dass auch erfreulich viele Schüler zugegen waren. Jene jugendlichen "Schulschwänzer", die mit markigen Sprüchen auf bunt vorbereiteten Plakaten nun auch einen langen Samstagnachmittag bewiesen, dass sie endlich wieder bereit sind, für ihre gerechtfertigten Interessen auf die Straße zu gehen und der ihnen so oft zugeschriebenen Politikverdrossenheit ein Schnippchen zu schlagen.

Die Kundgebungen der unterschiedlichsten Redner waren durchweg interessant, teilweise sehr bewegend. Sie begannen mit einer Schweige-Performance der Organisation „Extinction Rebellion“ aus dem Wendland.

Ein Vertreter der jüdischen Gemeinde, der direkt von einer Gedenkfeier für die Opfer der Reichspogromnacht am ehemaligen Standort der am 9.11.1938 geschändeten und später abgerissenen Segeberger Synagoge kam, dankte den Menschen dafür, dass sie von ihrem Grundrecht Gebrauch machten, offen ihre Meinung kundzugeben und Gesicht zeigten.

Der Probst berichtete von seiner DDR-Vergangenheit und der Wohltat, nach der Wende so warm und herzlich empfangen worden zu sein. „Braun haben wir gehabt. Wer Angst schürt, steuert unser Land in eine Diktatur. Wir sind heute hier, weil wir das nie wieder haben wollen.“

Eine junge Frau aus dem Jemen sprach auf Arabisch inbrünstig von ihrer Hoffnung auf Frieden und den Todesängsten, die die Zivilbevölkerung in den Kriegsgebieten der Welt tagtäglich durchleben muss. Ihre Rede wurde für alle, die des Arabischen nicht mächtig sind, abschnittsweise übersetzt. Das wäre gar nicht nötig gewesen, denn man merkte an ihrem Auftreten, ihrer vehementen, emotionalen Betonung, ihrer herzensnahen Ausstrahlung, dass diese Frau etwas zu sagen hatte, als sie ihren größten Wunsch äußerte: Einfach nur ein angstfreies Sein leben zu dürfen.

Der Münchener Sänger und Liedermacher Konstantin Wecker schickte solidarische Grüße:

In den letzten Monaten ging es mir wie Heinrich Heine, der in seinen „Nachtgedanken“ im Exil dichtete: „Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht.“
Die unmenschliche Barbarei der neuen und alten Nazis auf der Straße wie in Chemnitz aber auch der deutschen Regierung und der EU im Umgang mit Flüchtlingen macht mich extrem wütend: Es ist eine Bankrotterklärung für unsere Gesellschaft, wenn allein in den letzten Monaten tausende Kinder, Frauen und Männer auf der Flucht vor Hunger, Krieg, Folter und Umweltzerstörung im Mittelmeer ertrinken oder in den Wüsten Afrikas verdursten mussten. Anstatt Leben zu retten, kriminalisieren die Regierenden die Seenotretter.

Doch die letzten Wochen und Monate haben mir auch wieder Mut gemacht, weil so viele Menschen auf die Straße gehen - für die Solidarität mit Geflüchteten und gegen Faschismus.

Ich bin groß geworden mit dem Satz „Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen!“

Es ist für einen Künstler unglaublich wichtig, zu erleben, dass man Mut machen kann, all jenen, die jetzt glauben, der Zug sei eh schon abgefahren und man könne ja doch nichts mehr bewirken. Stoppen wir den Zug der Unmenschlichkeit! Ermutigen wir uns!

https://www.youtube.com/watch?v=Z637-ydH6Zk


Mein 96-jähriger Schwiegervater hätte gern an der Demonstration teilgenommen, jedoch befürchtete er, dass sein etwas in die Jahre gekommener Rollator ihm seine Dienste auf der relativ langen Marschroute verwehren könnte. Der alte Herr, einer der letzten Zeugen, der übrigens erst vor etwa fünf Jahren begann, emotional von seinen Erlebnissen als junger Soldat im Zweiten Weltkrieg zu berichten und der - wie er selbst sagt - zum Glück bereits 1943 an der Front in Frankreich so schwer verletzt wurde, dass er als Kriegsversehrter heimkehren durfte, gab uns aber noch etwas mit auf den Weg: "Lasst diese menschenverachtende faschistische Scheiße nie wieder zu! Noch habt ihr die Chance, aufzupassen - ergreift sie!"

In eigener Sache

Dieser Beitrag mag elf Tage nach der beschriebenen Demonstration etwas inaktuell wirken. Die verspätete Publikation liegt an meiner mir selbst aus persönlichen Gründen auferlegten absoluten Online-Pause. Die tat so gut! Sehr empfehlenswert! Ich werde mit mir und meinen Digital-Zeiten fortan achtsamer umgehen. Nichtsdestotrotz ist die Thematik an sich leider noch genauso brandaktuell wie am 9. November. Wir haben die Chance:

Schaut hin, steht auf!

https://www.youtube.com/watch?v=RIS-QAJ7HLA

https://ipfs.busy.org/ipfs/QmV2S85vzp21fMZ9U2K13mUmWpLfobjKtBmTMFJdoCpNat


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20.11.2019