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Die FDP

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@zuerich
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Aus meiner persönlichen Sicht ist die FDP zugleich

  • das kleinste Übel der relevanten (über 2% Stimmenanteil) politischen Parteien in Deutschland

  • das grösste Problem in der deutschen Parteiendemokratie.

Während ich alle anderen Parteien schlimmer als die FDP finde, bin ich der Meinung, dass die FDP dem Liberalismus schadet. Sie setzt sich nicht konsequent für liberale, d.h. auf Freiwilligkeit basierende Lösungen ein.

Konkret meine ich damit:

  • Die FDP hat sich unter Westerwelle jahrelang für ein "einfacheres, niedrigeres und gerechteres Steuersystem" eingesetzt (bzw. korrekter: darüber geredet). In dem Moment, als sie mit dem besten Ergebnis ever (14,6%) in die Regierung kamen, war Schluss damit. Nichts wurde umgesetzt. Westerwelle wurde mucksmäuschenstill und von Merkel überrollt.
  • Die Jahre 2009-2013 waren aus meiner Sicht die Schicksalsjahre der FDP. Alles Vertrauen, was sie sich in den Jahren davor mit konsequenter Haltung erarbeitet hat (z.B. 2005 nicht mit der SPD und den Grünen zu koalieren), hat sie in diesem Zeitraum kaputt gemacht. Sie hat eine Generation von Wählern vor den Kopf gestossen und der Wiederaufbau von Vertrauen wird mindestens 15 Jahre dauern.
  • In diesem Zeitraum kam es - mit Zustimmung der FDP - auch zur sogenannten "Griechenland-Rettung" - ein hochgradig illiberales, sozialistisches Projekt, das weder der EU noch dem Euro und am allerwenigsten den Griechen geholfen hat - ganz im Gegenteil. Als deutlichstes Zeichen des maroden Zustands der südlichen EU-Länder sehe ich deren Jugendarbeitslosigkeit (https://de.statista.com/statistik/daten/studie/74795/umfrage/jugendarbeitslosigkeit-in-europa/) - mit langfristigen negativen Konsequenzen.
  • Ein Ergebnis des Versagens der FDP war die Gründung der AfD - die zu Beginn ein relativ liberales Programm hatte, aber sich davon Schritt für Schritt entfernt hat, v.a. im Zuge der Migrationskrise. Dadurch hat die FDP einen Teil seiner liberalen Anhänger verloren und heute bekämpfen sich beide Parteien, anstatt sich gemeinsam für liberale Politik einzusetzen.
  • Eine liberale Partei sollte sich für eine Entstaatlichung der Verkehrsinfrastruktur einsetzen. Warum setzt sich die FDP nicht für einen Verkauf von staatlichen Strassen ein? Das würde Geld in die Staatskassen spülen, die Schuldenlast senken und den Staatsapparat entschlacken. Dann könnte sich der Staat auf die Zurverfügungstellung von innerer und äusserer Sicherheit sowie eines verlässlichen Rechtssystems konzentrieren. Unternehmen (z.B. Siemens) könnten Strassen ökonomisch bewirtschaften, nutzungsgerecht mit Gebühren versehen, damit die Interventionsspirale stoppen und Umweltschäden verringern (Tragedy of the commons bzw. Übernutzung) - dazu schreibe ich mal einen gesonderten Post.
  • Ziele (Bundestagswahl 2017) wie "Freies WLAN im öffentlichen Raum" mögen fancy und modern klingen, sind aber antiliberal.
  • "Weltbeste Bildung + einheitliche Bildungsstandards und weniger Bildungsaufgaben bei den Ländern" ist so ein weiteres Ziel. Was geht Bildung den Staat an? Staatliche Beschulung mag vor 200 Jahren in Preussen zur Zeit der Industrialisierung (und Standardisierung) eine gute Idee gewesen sein. Aber heute? Die Anforderungen an Wissen und Fähigkeiten von jungen und auch älteren Menschen ändern sich immer schneller und werden immer differenzierter. Wie soll ein zentralisierter Bildungsapparat da mitkommen? Hier ist wesentlich mehr Freiheit und Flexibilität notwendig (sprich: mehr Markt).

Gesundheitswesen, Bildung, Verkehr, Energie, TV, Steuern allgemein, ...: Es gibt so viele Stellschrauben, an denen die FDP drehen könnte, um den schwerfälligen deutschen Staatsapparat zu verschlanken und der Wirtschaft und der Bevölkerung mehr Luft zum Atmen zu lassen. Dazu bräuchte es zuerst einen geistigen Aufbruch innerhalb der Partei und eine klare Kommunikation von liberalen Werten und konkreten Vorschlägen an den Wähler - und nicht pseudomoderne, Haare transplantierende, barttragende Worthülsen-Lautsprecher.

In der auf uns zukommenden tiefgreifenden Krise mit strukturellen, demographischen, (energie-)wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und geistigen Verwerfungen wird Deutschland eine starke liberale Kraft brauchen. Aufgrund ihrer Vergangenheit und ihrer personellen Besetzung wäre ich sehr überrascht, wenn die FDP in der Lage wäre dieser Kraft einen Namen zu geben.